Der Sommertraum

Donnerstag, der 08. Oktober 2020
Über dem Segelkurs im Herbst 2019 und dem Auffrischungskurs vor der Prüfung 2020

Ich bog an der Ampel nach links auf einen Kopfsteinpflasterweg. Die Parklücke neben einem Transporter auf der rechten Straßenseite war meine. Ich zog die Handbremse, stellte den Motor aus. Stille. Nur noch vereinzelt donnerten dicke Wassertropfen von den Bäumen auf das Blechdach meines Autos. Es regnete nicht mehr.
35 min zu früh, ich war schon wieder überpünktlich. Zwölf Tage Segelkurs letzten Herbst, jedes Mal pünktlich. Heute, Auffrischungskurs vor der Prüfung am Samstag und wieder pünktlich. Das hat etwas zu bedeuten.
Meine niedrigen Socken und Sneakers räumten den Platz an meinen Füßen für ein Paar flauschige warme Knie-Socken. Die dunkelblaue Regenhose zog ich über meine Jeans, noch die hellblaue Regenjacke und, gestern beim Discounter zufällig gefundene und sofort gekaufte gefütterte gelbe Gummistiefel. Die Sonnenbrillen bleiben im Auto. Fertig, angezogen, Auto abgeschlossen.
Mit dem Rucksack an meiner Schulter, gefüllt mit einem Handtuch, Sachen zum Umziehen, „just-in-Case“, einem halben Liter heißen Salbeitee in meiner Thermosflasche, eine Packung Kekse, Autoschlüssel und Smartphone, schlenderte ich den steilen Trampelpfad Richtung See.

Die endlose Weite des Meeres. Die strahlend weißen Dreiecke der Regatta auf der tiefblauen Adria. Die Sonne brannte. Der Wind zerzauste mein Haar. In meinen Gedanken saß ich auf dem glatten Seitendeck der Jolle, in Wirklichkeit auf einem harten rauen Stein am Strand. Jeden Sommer der gleiche Beschluss, zu Hause, in Berlin werde ich zum Segelkurs gehen und Segelschein machen.
Im Berlin angekommen, nach nur wenigen Tagen sprang die Alltagsmühle an. Die Prioritäten ordneten sich wie von selbst neu. Der Herbst kam, der Winter nahte sich, der Segelschein ist ein Sommertraum geblieben.
Nicht den letzten Herbst.

Der Weg machte die letzte Biegung nach rechts – Überraschung – das Tor zur Anlage war geschlossen. Ein Pfeil auf einem nass gewordenen Zettel zeigte in die Richtung des Nebeneingangs. Neuer Schild hing am Tor: „Maskenpflicht“.